Neben Österreich und Estland ist die Schweiz eine der wenigen europäischen Nationen, die Internetwahlen umsetzen. Da es in der Schweiz relativ häufig zu Abstimmungen kommt, kränkelt die Wahlbeteiligung (<50%) und das Allheilmittel* ist – Sie werden es sicher erraten – natürlich E-Voting.
In der Schweiz wurden seit 2002 mehrere E-Voting-Pilotversuche im Rahmen des Projekts Vote Èlectronique in den Kantonen Genf, Neuenburg und Zürich mit verschiedenen E-Voting-Verfahren (Wählen über Internet oder per SMS) für Wahlen und Abstimmungen durchgeführt. Ein Ende dieser Pilotversuche ist nicht in Sicht.
Nun zerbrechen sich auch Schweizer Wissenschaftler den Kopf über Betrugsszenarien und Manipulationsmöglichkeiten (Beitrag in „Der Bund“ – via Martin):
Theoretisch wäre eine Manipulation denkbar. Dies sagen Wissenschaftler um Eric Dubuis, Bernhard Anrig und Rolf Haenni von der Berner Fachhochschule in Biel. Besonders perfid bei einem raffinierten Betrug: Die meisten heute in der Praxis eingesetzten Systeme sind so aufgebaut, dass man einen solchen unter gewissen Umständen gar nicht entdeckte. Um ein wirklich sicheres System zu haben, müsse es von Grund auf anders konstruiert sein, warnen die Informatiker. [..] «Wenn die Bürger dabei nicht vollstes Vertrauen ins Abstimmungssystem haben, könnte bei einem knappen Abstimmungsergebnis schnell der Verdacht eines Betrugs aufkommen», sagt Anrig. Möglichkeiten zum Betrug gibt es einige:
Die Computersysteme selber könnten manipuliert werden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Programmierer nicht aus eigenem Antrieb manipulierten – die Möglichkeit dazu hätten sie, sagt Haenni. Und dies mache sie erpressbar.
Der (illegale) Stimmenkauf ist bei der elektronischen Stimmabgabe sehr viel einfacher als bei der brieflichen. Mit den Pilotsystemen funktioniert der Zugang über wenige Codes, die nur für eine Abstimmung gelten (siehe Kasten). Ein nicht an der Abstimmung interessierter Bürger hätte die Möglichkeit, seine Stimme zu verkaufen. Über eine Internetseite im Ausland könnte der Stimmenkauf im grossen Stil und anonym betrieben werden. Bei der brieflichen Abstimmung, so wie wir sie heute kennen, ist es hingegen kaum möglich, einen anonymen Stimmenkaufring aufzubauen, sagt Anrig. Denn die Postadresse dieses Rings wäre bekannt.
Die Internetabstimmung erfolgt über die Computer der Stimmbürger. Auf diesen Rechnern können sich Viren und Schadprogramme einnisten. «Einen Beweis, dass der einzelne Computer so funktioniert, wie es der Benutzer annimmt, gibt es nicht», sagt Dubuis. So könnte sich ein Schadprogramm verbreiten, das dem Benutzer vortäuscht, mit dem Abstimmungsserver verbunden zu sein. Ein solches Programm wäre jedoch fremdgesteuert und gäbe nicht zwingend die Stimme des Bürgers weiter.
[..] Bei den bisherigen Pilotsystemen sei nicht nachvollziehbar, was nach der Stimmabgabe erfolge. «Am Ende wird einfach ein Resultat ausgespuckt», sagt Haenni. Die Funktionsweisen der Systeme sind entweder geheim – etwa bei dem des Kantons Neuenburg, das von einer spanischen Firma entwickelt wurde – oder zumindest nicht vollständig offengelegt.
Hier der ganze Beitrag in „Der Bund“.
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* Die Wahlbeteiligung konnte bei der ÖH-Wahl 2009 NICHT gesteigert werden! Die Wahlbeteiligung lag laut futurezone bei rund 26%, was neuer historischer Tiefstand ist. Das Ziel von 1% Wahlbeteiligung bei E-Voting wurde auch klar verfehlt, da nur 0,9% via Internet wählten!
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